Ein König zwischen Weltgeschichte und Krankenbett

Hiskias Wassertunnel und Sanheribs Keilschrift-Report


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle:

Israelfotoarchiv Alexander Schick © www.bibelausstellung.de

 

Kaltes Klacken der Äxte auf Stein. Tagelang, wochenlang nur dieses Geräusch. Die Bergleute arbeiteten sich im Halbdunkel voran.

Dann endlich, von Ferne, ein neuer Klang. Klopfen – aber nicht das der eigenen Äxte. Kam es von rechts oder links durch das Gestein?

Schließlich brach die Felswand auf. Fast wären die Äxte aneinandergeschlagen! Die Truppe von Süden stieß auf das Team von Norden. Lachende Gesichter, zugleich stürzte eine Menge Wasser durch die neu entstandene Öffnung. Der Tunnel hatte seinen Zweck erreicht.

So ähnlich muss es zugegangen sein ungefähr 700 v. Chr. in Jerusalem. König Hiskia kannte die politische Großwetterlage. Eine gewaltige Streitmacht aus Assyrien war im Anmarsch. Es galt, die Zeit zu nutzen und Jerusalem zu sichern. Damit bei einer Belagerung das Wasser nicht ausging, musste das Quellwasser von außerhalb der Stadtmauer in die Stadt geleitet werden. „Als Hiskia merkte, dass Sanherib auch Jerusalem angreifen wollte, beriet er sich mit seinen führenden Männern und den erfahrensten Kriegern, und sie beschlossen, die Quellen vor der Stadt zuzuschütten.“ (2. Chronik 32,2+3) „Wie er [Hiskia] einen Teich baute und einen Tunnel grub, um die Stadt mit Wasser zu versorgen, sind im Buch der Geschichte der Könige Judas beschrieben.“ (2. Könige 20,20) Dieser Wassertunnel wurde 1838 wiederentdeckt. Man kann ihn noch heute als Tourist begehen.

Weil die Zeit knapp war, trieben zwei Trupps gleichzeitig von beiden Seiten den Stollen voran. Die Kunst war, sich dann in der Mitte und auf gleicher Höhe zu treffen. Der Tunnel verläuft nicht geradlinig, sondern ist seltsamerweise kurvig. Früher nahm man an, die Arbeiter wollten vermeiden, sich durch alte Königsgräber zu meißeln, die im Fels sind. Oder man vermutete, der Tunnel sei der natürlichen Gesteinsstuktur gefolgt. Vielleicht aber kommt die Bogenform auch von den Kurskorrekturen während der Arbeit. Neuen Forschungen zufolge versuchten die Bauarbeiter mittels akustischer Signale, ihre Position jeweils zu bestimmen. Mehrfach gaben sie die ursprüngliche Peilung auf und gruben in eine andere Richtung weiter – einige „tote“ Stollen bezeugen dieses Verfahren.

Als sie schließlich in Hörweite waren, konnten sie gezielt aufeinander zu graben. Nach dem Durchbruch meißelte man eine Inschrift in die Felswand, die über die Vorgehensweise berichtet – und die Begeisterung, es geschafft zu haben, klingt noch heute aus den alten hebräischen Buchstaben (siehe  Siloah-Inschrift).

Die Siloah-Inschrift

Sie wurde 1880 am südlichen Ende des Tunnels entdeckt und lautet (Ergänzungen des Textes in Klammern):

„(Der Tag [oder der Abschluss]) der Durchbohrung.  Und dies war die Geschichte der Durchbohrung: Als noch (die Arbeiter) die Hacke (schwangen), einer auf den anderen zu, und als noch drei Ellen durchbohrt (werden mussten, hörte) man, wie einer dem anderen zurief, dass ein Loch (oder: ein irreführendes Echo) im Felsen entstanden sei nach rechts und (nach links [?]). Und am Tag des Durchbruchs schlugen die Tunnelarbeiter einer dem anderen entgegen, Hacke gegen Hacke. Da strömten die Wasser aus der Quelle in den Teich über 1200 Ellen hin. Und die Höhe des Felsens über den Köpfen der Tunnelarbeiter betrug 100 Ellen.“

Archäologie bestätigt die Bibel

Dieser Tunnel ist nur ein Beispiel aus der Hiskia-Zeit, wie archäologische Funde die biblischen Berichte bestätigen. Mindestens genauso bemerkenswert ist das sogenannte Sanherib-Prisma: Ein sechseckiger Zylinder, der in Keilschrift beschrieben ist. Es handelt sich um einen Report der politischen und militärischen Großtaten des assyrischen Königs Sanherib – des Königs, der 701 vor Christus im Anmarsch auf Jerusalem war. Die Bibel berichtet an drei bzw. vier Stellen über die Belagerung Jerusalems (siehe Ereignisse um Hiskia). In der assyrischen Berichterstattung liest sich das so:

„Was Hiskia von Juda angeht, der sich meinem Joch nicht unterworfen hat: 46 seiner festen ummauerten Städte und zahllose kleine Städte in ihrer Umgebung habe ich belagert (…) und erobert. (…) Ihn selbst schloss ich ein wie einen Vogel im Käfig in Jerusalem, in seiner Residenz. Belagerungsschanzen warf ich gegen ihn auf (…) Zu ihrem früheren jährlichen Tribut fügte ich weitere Abgaben hinzu (…)“ Dann werden vielerlei Vermögenswerte aufgezählt: Sie „ließ er mir nach Ninive, meiner Residenzstadt, hinter mir her bringen.“

Das klingt nach einem glänzenden Siegesbericht. Aber wichtig ist, was hier nicht steht! Sanherib kann von Belagerung und von großer Beute berichten – aber nirgends ist zu lesen, dass er Jerusalem eingenommen hätte. Von 46 Städten zuvor konnte er das sehr wohl schreiben. Die letzte Station vor Jerusalem war Lachisch. Hier richtete Sanherib eine maßlos grausame Verwüstung an. Verlauf und Ergebnis dieser Eroberung sind detailliert dokumentiert, und zwar in gemeißelten Wandreliefs aus seinem Palast in Ninive. Hier sieht man nicht nur den  Stand damaliger Militärtechnik (Rammböcke, Bogenschützen, Erdtunnel), sondern auch wie die Assyrer mit den Besiegten verfuhren: einige werden auf Pfähle gespießt, andere gehäutet. Das war assyrischer Standard. Ausgrabungen in Lachisch haben Pfeilspitzen und Schleudersteine zutage gefördert, außerdem Skelette von 1500 Leichen.

Und dann die Hauptstadt Jerusalem. Wann auch immer Sanherib nur einen Fuß in diese Stadt gesetzt hätte – er hätte es in seinem Keilschriftbericht vermerkt. Aber eben diese Siegesmeldung fehlt. Zwischen den Zeilen ist dieser Abschnitt des Sanherib-Prismas das Dokument eines nicht Feldzugs ohne krönenden Abschluss.

Wenn die Keilschrift beredt schweigt

Was war passiert? Die biblischen Berichte erzählen es. Sanherib ist es sehr wohl gelungen, Jerusalem zu belagern und die Stadt einzuschüchtern. Er zog dabei alle Register der Propaganda. Mündlich und brieflich betonte er seine militärische Überlegenheit, zog die Hilfe des Gottes Israels in Zweifel, behauptete sogar, von diesem Gott Jahwe selbst  beauftragt zu sein, das Land zu verheeren! Bewusst ließ er seine demoralisierenden Botschaften auf Hebräisch ausrufen – damit alle Bewohner Jerusalems sie verstehen konnten. Hatte der Assyrer den Endruck, allein mit militärischer Macht Jerusalem nicht „knacken“ zu können – daher seine ausgefeilte psychologische Kriegführung?

Doch ganz wie der Prophet Jesaja es in der Krise vorausgesagt hatte, brach Sanherib die Belagerung plötzlich ab und zog nach Hause. Irgendetwas Umstürzendes war eingetreten. Für Hiskia und den Propheten Jesaja, für Jerusalem und für Glaubende heute ist klar: Gott hat eingegriffen, seine Leute beschützt, den Aggressor vertrieben. Kann man mehr darüber sagen, wie Gott das getan hat? Die Bibel selbst hat zwei Deutungen: Sanherib würde ein beängstigendes Gerücht hören und daher nach Hause ziehen (2. Könige 19,7) oder / und ein Engel des Herrn tötete nachts Hunderttausende feindlicher Soldaten (2. Könige 19,35). Manche Ausleger denken hier an eine gewaltige Seuche (so auch schon Sirach 48,21). Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung des griechischen Schriftstellers Herodot. Bei ihm mischt sich oft Geschichte mit Geschichten. Über Sanherib erzählt er: Auf seinem Weg nach Ägypten überfiel eine Herde von Mäusen sein Heerlager und zernagte Köcher, Bögen und die Handgriffe der Schutzschilde. Mäuse sind ein altes griechisches Symbol für die Pest. Das Wunder spielt bei Herodot nicht vor Jerusalem – aber die Erzählung wird einen historischen Kern haben.

Wie auch immer – Jesajas Prophetie hatte sich erfüllt: „Auf der Straße, auf der er gekommen ist, wird er zurückkehren. Er wird diese Stadt nicht betreten, spricht der Herr.“ (2.  Könige 19,33) Was der biblische Bericht mit Worten sagt, bestätigt die Keilschrift des Sanherib-Prismas durch die Worte, die hier nicht stehen. Wider alle militärische Überlegenheit brach der assyrische Angreifer den Feldzug ab. Und wenn der Bericht fortfährt: Die Tributzahlungen ließ Sanherib sich nach Ninive „hinterherbringen“ – dann zeigt das ebenfalls seine Schwäche: Er blieb zwar politisch überlegen, aber beim Feldzug selbst konnte er nichts erbeuten. Er musste es nachträglich einkassieren.

Im Laufe seiner Kriege hatte Sanherib sich immer höhere Ehrentitel zugelegt. Hatte er sich bisher „König ohne Gleichen“ genannt, so schmückte er sich seit der Eroberung von Lachisch mit dem Titel „König der Welt“. Einige Jahre und zwei Feldzüge später kam der Name „Könige der vier Himmelsrichtungen“ hinzu. Bezeichnend aber: Der Titel „König der Welt“ begegnet als Inschrift auf dem Relief, das die Erstürmung von Lachisch zeigt – nicht die Eroberung Jerusalems. Mit dieser Tat konnte sich der selbsternannte „König der Welt“ nie schmücken!

Was Hisika betraf: Der „wie ein Vogel im Käfig Gefangene“ (O-Ton des Sanherib-Prismas) war frei! Fast möchte man Hiskia den 124. Psalm in den Mund legen (ein Vergleich mit Vers 7 dort drängt sich auf).

Hiskia war verwickelt worden in den Lauf der Weltgeschichte und hatte mit Gott als Faktor in dieser Weltgeschichte gerechnet. Bisher klingt alles nach einem vorbildlichen Glaubenden. Die letzten 15 Jahre seines Lebens aber zeigen ihn noch von einer anderen Seite.

Vom Krankenlager zur Röntgenstation

Der König fand sich eines Tages auf dem Krankenlager wieder, tödlich erkrankt. Gott ließ ihn hier nicht ohne seine Weisung. Jesaja, der Prophet, richtete ihm aus: Nutze die Zeit, regle die Nachfolgefrage. Hiskia aber hätte gern weitergelebt! Er klagt es seinem Gott – und Gott geht auf sein Bitten ein. 15 Jahre Lebenszeit bekommt Hiskia hinzugeschenkt. Ein Wunderzeichen an der Sonnenuhr demonstriert ihm, wie Gott seine Lebensuhr neu stellt. Das Krankenbett ist nicht die Endstation.

Und nun kann man beobachten, wie Hiskia seine zusätzliche Lebenszeit nutzt. Es zieht ihn wieder zurück auf die Bühne der Weltgeschichte. Er bekommt Staatsbesuch aus Babylon – einer Konkurrenzmacht der herrschenden Assyrer. Vordergründig will die Delegation Hiskia zur Genesung gratulieren. Anscheinend hatte man auch vom Wunderzeichen an der Sonnenuhr gehört und war wissbegierig. Aber schon damals gab es keinen Staatsbesuch ohne bündnispolitische Absicht. Babylon prüfte wohl, ob man die assyrische Vorherrschaft abschütteln könnte, und suchte bei Hiskia offenbar einen Verbündeten. Und der verstand die Botschaft. Er führte der Delegation sein gesamtes Wirtschafts- und Militärpotenzial vor. Das mag politisch klug gewesen sein oder auch nicht – die Bibel hat hier ihre eigene Bewertung. Gott sah in Hiskias Waffenschau und in seiner Bündnisbereitschaft – Hochmut. An dieser Stelle hatte der König sich offenbar auf sich selbst verlassen.

Erneut tritt Jesaja, der Prophet, in Aktion. Derselbe Bote, der Hiskia zuvor die Bewahrung vor Sanherib angesagt hatte und auch die Genesung von der Krankheit, der richtet nun Gottes Urteil aus: Die ganze Potenz, auf die Hiskia sich verlässt, werde demontiert und abtransportiert werden! Babylon, das sich jetzt als Bündnispartner anbiete, werde Judäa gnadenlos unterwerfen. Hiskia konnte heraushören, dass dieses Unglück erst später eintreffen würde, aber Gottes Urteil war eindeutig.

Hiskia filterte aber aus dieser prophetischen Botschaft für sich nur eins heraus: Ihn selber, Hiskia, werde es (noch) nicht treffen. Ein Leichtes also, demütig zu antworten: „Diese Botschaft des Herrn, die du mir überbracht hast, ist gut.“ Hiskias Motive aber lassen einen schalen Nachgeschmack aufkommen: „Denn er dachte sich: Immerhin werden zu meinen Lebzeiten Frieden und Sicherheit herrschen.“ (2. Könige 20,19)

Hiskia hatte erlebt, wie Gott in die Geschichte eingriff – in die Weltgeschichte und in seine Krankengeschichte. Diesem letzten Wunder aber war er nicht gewachsen. Eben noch Weltpolitiker, blickte er jetzt nur kleingeistig auf den begrenzten Kreis seines eigenen Lebens. Eine ernüchternde Lektion. „Gott zog sich von Hiskia zurück, um ihn auf die Probe zu stellen und zu sehen, wie es in seinem Herzen aussah“ – so deutet die Bibel das (2. Chronik 20,31). Gottes „Röntgenaufnahme“ von Hiskias Herz brachte einen bedenklichen Befund.

Auch das zeigt die Geschichte von Hiskia – von heute aus gelesen: Die Bibel hat Kraft und göttlichen Scharfsinn, Lebensgeschichten zu deuten. Archäologische Bestätigungen der Bibel sind das eine. Sich ihr im eigenen Leben zu stellen das andere. Lange Jahre hatte sich Hiskia auf Gott verlassen – und nur deshalb überlebt. Danach klammerte er sich an die irdischen Fakten, an das Vorzeigbare. Seine letzten Lebensjahre wirken wie verschenkt.

Die Bibeltexte über die Ereignisse um Hiskia:

Hiskia beseitigt Götzendienst, erneuert den Tempelgottesdienst und das Passafest: 2.Könige 18,1-7; 2.Chronik 29–31

Bau des Wassertunnels: 2.Könige 18,17; 20,20; 2.Chronik 32,3.4.30; Jesaja 36,2; Sirach 48,17

Belagerung durch Sanherib und Rettung Jerusalems: 2.Könige 18,13–19,37; 2.Chronik 32,1-23; Jesaja 36+37; Sirach 48,18-21

Hiskias Krankheit und Genesung: 2.Könige 20,1-11; 2.Chronik 32,24; Jesaja 38,1-8.21-22; Sirach 48,23

Hiskias Psalmgebet in Krankheit: Jesaja 38,9-20

Gesandtschaft aus Babylon; Gottes Urteil: 2.Könige 20,12-19; 2.Chronik 32,23.25.31; Jesaja 39

 

 

Quelle ©:

Die diesem Artikel zugrundeliegenden Literaturangaben finden Sie auf www.faszination-bibel.net

Dr. Ulrich Wendel ist leitender Redakteur von Faszination Bibel.

Rubrik: BibelWissen

Zeichen: 12000

Seiten: 4

Illus: eher viele Bilder: Wasserleitung (1 oder 2),
Kartenausschnitt dazu,
Siloah-Inschrift 13_A_Hiskia_Tunnel_Inschrift_Hiskia,
Ninive-Relief: 04_IMG_0095_B_Lachisch und 4275527,
Sanherib-Prisma 17_DSC02859_SANHERIB_u_Kasten_entzerrt;
Sanherib

Quelle: uw

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JERUSALEM

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Filmabend: "Holocaust light gibt es nicht" am 11. März 2014, 20.00 Uhr in der Jerusalem Erlöserkirche, Altstadt. Ein Film über Sara Atzmon israelische Künstlerin und Holocaustüberlebende. Filmregisseurin: Ilona Rothin Sprecherin: Iris Berben

Koscheres Restaurant, Hamburg

Das neueröffnete koschere Restaurant in Hamburg heißt " Deli King ".